„Die Stadt gehört allen!“

15. Februar 2017

Zum angedachten Alkoholverbot in der Innenstadt nimmt der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Duisburg, Sieghard Schilling, wie folgt Stellung

Das von der Stadtverwaltung angedachte Alkoholverbot in der Duisburger Innenstadt ist eine diskriminierende Maßnahme, die sich ausschließlich gegen eine verschwindend kleine Gruppe von Menschen richtet, die suchterkrankt ist und die die heile Welt einiger Politiker stören.

Die ersten Reaktionen auf das angedachte Alkoholverbot von Seiten einiger Duisburger Bürger macht deutlich, welche Geister damit gerufen werden können. „Wenn wir in der Innenstadt anfangen, dann können wir im Kantpark direkt weitermachen“ – so ist im Netz zu lesen. Die Verantwortlichen sind sich wahrscheinlich nicht darüber im Klaren, dass diese Law-and-Order-Haltung dazu führen wird, dass Menschen, die krank am Rande der Gesellschaft stehen und sowieso schon ausgegrenzt sind, aus unserem Stadtbild verschwinden sollen.

Es mutet grotesk an, wenn man sich Duisburg anschaut und in den Vergleich mit anderen Städten stellt. So kann man nicht davon reden, dass große Scenen die Sicherheit in unserer Stadt gefährden. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation der Rechtsdezernentin – „Man wolle den Menschen wieder ein Gefühl der Sicherheit geben“ – völlig überzogen. Durch solche unüberlegten Aktionen schaden solche Aussagen dem Image unserer Stadt. Sie spiegeln nicht die Realität wider. Es scheint politisches Kalkül im Spiel zu sein. Dabei gibt es in Duisburg viele andere Orte, die im Zusammenhang mit der Sicherheitsfrage diskutiert werden müssten.

Die Menschen, die in der Innenstadt stehen, sind in den Hilfesystemen bekannt, werden ehrenamtlich vom Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ betreut und wenn es sein muss medizinisch versorgt. Es handelt sich auch nicht ausschließlich um Wohnungslose, sondern um Menschen, die suchterkrankt sind, sich im chronifizierten Stadium befinden und in erster Linie unsere Hilfe brauchen. Dazu gehört die Prävention, dazu gehört die Überlebenshilfe und dazu gehört, wenn es noch möglich ist, auch die Hilfe, aus der Sucht herauszukommen.

Duisburg hat trotz wenig finanzieller Möglichkeiten eine der besten Wohnungslosenhilfesysteme in der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Die über Jahrzehnte lange Zusammenarbeit zwischen der Sozialverwaltung der Stadt Duisburg und dem Diakoniewerk hat dazu geführt, dass wir keine Obdächer haben und die Menschen vor einer letztendlichen Verelendung bewahrt bleiben.

Der Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ macht ehrenamtlich eine hervorragende Arbeit und hat zu den Betroffenen Beziehungen aufgebaut, die tragbar sind und die Möglichkeiten eröffnen, mit den Betroffenen selber die Probleme anzugehen. Es geht bei diesem angedachten Verbot nicht um die Grundsatzfrage, dass Alkohol gesundheitsschädlich ist und krank macht, sondern es geht darum, dass bestimmte Menschen weiter in der Öffentlichkeit Alkohol trinken dürfen und andere eben nicht, weil man „mit Fingerspitzengefühl“ Unterscheidungen vornehmen will.

Wer die Menschen dort vertreiben will und aus dem Stadtbild entfernen will, muss sagen, wo sie sich denn aufhalten sollen. Alleine dieser Ansatz verletzt das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen in Zeiten, in denen wir über Inklusion reden (alle gehören dazu). Es ist das falsche Signal, eine Vertreibungspolitik einzuleiten, die diese Menschen massiv ausgrenzt und ihnen das letzte kleine Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nimmt.

Es steht außer Frage, dass aggressives Verhalten, Urinieren in Eingängen von Geschäften und permanentes lautstarkes Gegröle nicht zu akzeptieren sind.

In einem Arbeitskreis der Stadt Duisburg, in dem die Kaufleute, die Sozialverwaltung, die Polizei und das Ordnungsamt und die Mitarbeitenden des Diakoniewerkes aus der Wohnungslosenhilfe und der Suchtkrankenhilfe sich dieser Angelegenheit seit langem gemeinsam annehmen, gilt der Satz „Die Stadt gehört allen!“

„Die Stadt gehört allen“ unter der Voraussetzung, dass alle die Regeln des Zusammenlebens einhalten und beachten müssen und das gilt auch für die Menschen, die jetzt ins Visier genommen werden.

Die betreuenden Mitarbeiter im Diakoniewerk und auch die anderen helfenden Organisationen gehen hier mit dem angesprochenen Personenkreis in die harte Diskussion. Sie haben aber keine ordnungsrechtlichen Befugnisse und gehen deshalb davon aus, dass die Präsenz von Ordnungsamt und Polizei im Sinne einer präventiven Intervention erhöht werden muss und gegebenenfalls auch Ordnungstrafen verhängt werden müssen. Gleichzeitig gilt es, die Möglichkeiten der Begleitung dieser Menschen zu erhöhen, ihnen Tagestrukturierung anzubieten, um für sie einen neuen Sinn ihres Lebens zu eröffnen.

Der Geschäftsführer des Diakoniewerkes warnt davor, Maßnahmen zu ergreifen, die ausschließlich auf die Vertreibung dieser Menschen ausgerichtet sind. Es wird politisch dazu führen, dass wir die Geister, die wir dann rufen, nicht mehr loswerden.

Die Stadt gehört allen und wir müssen lernen, dass nicht nur alles das gut und richtig ist, was gutbürgerlich geordnet scheint. Die Attraktivität einer Stadt erhöht sich nicht dadurch, indem wir Probleme definieren, die keine sind und Reaktionen zeigen, die völlig unangemessen sind.

Duisburg, 14.02.2017

Gez. Sieghard Schilling

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